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s'isch M​ä​rlizyt

by Silvio Beltrametti

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1.
Es war ein Mädchen faul und wollte nicht spinnen, und die Mutter mochte sagen, was sie wollte, sie konnte es nicht dazu bringen. Endlich überkam die Mutter einmal Zorn und Ungeduld, daß sie ihm Schläge gab, worüber es laut zu weinen anfing. Nun fuhr gerade die Königin vorbei, und als sie das Weinen hörte, ließ sie anhalten, trat in das Haus und fragte die Mutter, warum sie ihre Tochter schlüge, daß man draußen auf der Straße das Schreien hörte. Da schämte sich die Frau, daß sie die Faulheit ihrer Tochter offenbaren sollte, und sprach: "Ich kann sie nicht vom Spinnen abbringen, sie will immer und ewig spinnen, und ich bin arm und kann den Flachs nicht herbeischaffen." Da antwortete die Königin: "Ich höre nichts lieber als spinnen und bin nicht vergnügter, als wenn die Räder schnurren. Gebt mir Eure Tochter mit ins Schloß, ich habe Flachs genug, da soll sie spinnen, soviel sie Lust hat." Die Mutter war's von Herzen gerne zufrieden, und die Königin nahm das Mädchen mit. Als sie ins Schloß gekommen waren, führte sie es hinauf zu drei Kammern, die lagen von unten bis oben voll vom schönsten Flachs. "Nun spinn mir diesen Flachs", sprach sie, "und wenn du es fertigbringst, so sollst du meinen ältesten Sohn zum Gemahl haben; bist du gleich arm, so acht ich nicht darauf, dein unverdroßner Fleiß ist Ausstattung genug." Das Mädchen erschrak innerlich, denn es konnte den Flachs nicht spinnen, und wär's dreihundert Jahre alt geworden und hätte jeden Tag vom Morgen bis Abend dabeigesessen. Als es nun allein war, fing es an zu weinen und saß so drei Tage, ohne die Hand zu rühren. Am dritten Tage kam die Königin, und als sie sah, daß noch nichts gesponnen war, verwunderte sie sich, aber das Mädchen entschuldigte sich damit, daß es vor großer Betrübnis über die Entfernung aus seiner Mutter Haus noch nicht hätte anfangen können. Das ließ sich die Königin gefallen, sagte aber beim Weggehen: "Morgen mußt du mir anfangen zu arbeiten." Als das Mädchen wieder allein war, wußte es sich nicht mehr zu raten und zu helfen und trat in seiner Betrübnis vor das Fenster. Da sah es drei Weiber herkommen, davon hatte die erste einen breiten Plattfuß, die zweite hatte eine so große Unterlippe, daß sie über das Kinn herunterhing, und die dritte hatte einen breiten Daumen. Die blieben vor dem Fenster stehen, schauten hinauf und fragten das Mädchen, was ihm fehlte. Es klagte ihnen seine Not, da trugen sie ihm ihre Hilfe an und sprachen: "Willst du uns zur Hochzeit einladen, dich unser nicht schämen und uns deine Cousinen heißen, auch an deinen Tisch setzen, so wollen wir dir den Flachs wegspinnen, und das in kurzer Zeit." "Von Herzen gern", antwortete es, "kommt nur herein und fangt gleich die Arbeit an." Da ließ es die drei seltsamen Weiber herein und machte in der ersten Kammer eine Lücke, wo sie sich hinsetzten und ihr Spinnen anhuben. Die eine zog den Faden und trat das Rad, die andere netzte den Faden, die dritte drehte ihn und schlug mit dem Finger auf den Tisch, und sooft sie schlug, fiel eine Zahl Garn zur Erde, und das war aufs feinste gesponnen. Vor der Königin verbarg sie die drei Spinnerinnen und zeigte ihr, sooft sie kam, die Menge des gesponnenen Garns, daß diese des Lobes kein Ende fand. Als die erste Kammer leer war, ging's an die zweite, endlich an die dritte, und die war auch bald aufgeräumt. Nun nahmen die drei Weiber Abschied und sagten zum Mädchen: "Vergiß nicht, was du uns versprochen hast, es wird dein Glück sein." Als das Mädchen der Königin die leeren Kammern und den großen Haufen Garn zeigte, richtete sie die Hochzeit aus, und der Bräutigam freute sich, daß er eine so geschickte und fleißige Frau bekäme, und lobte sie gewaltig. "Ich habe drei Basen", sprach das Mädchen, "und da sie mir viel Gutes getan haben, so wollte ich sie nicht gern in meinem Glück vergessen. Erlaubt doch, daß ich sie zu der Hochzeit einlade und daß sie mit an dem Tisch sitzen." Die Königin und der Bräutigam sprachen: "Warum sollen wir das nicht erlauben?" Als nun das Fest anhub, traten die drei Jungfern in wunderlicher Tracht herein, und die Braut sprach: "Seid willkommen, liebe Basen." "Ach", sagte der Bräutigam, "wie kommst du zu der garstigen Freundschaft?" Darauf ging er zu der einen mit dem breiten Plattfuß und fragte: "Wovon habt Ihr einen solchen breiten Fuß?" "Vom Treten", antwortete sie, "vom Treten." Da ging der Bräutigam zur zweiten und sprach: "Wovon habt Ihr nur die herunterhängende Lippe?" "Vom Lecken", antwortete sie, "vom Lecken." Da fragte er die dritte: "Wovon habt Ihr den breiten Daumen?" "Vom Fadendrehen", antwortete sie, "vom Fadendrehen." Da erschrak der Königssohn und sprach: "So soll mir nun und nimmermehr meine schöne Braut ein Spinnrad anrühren." Damit war sie das böse Flachsspinnen los.
2.
Es war einmal eine alte Frau, die besaß nichts mehr als eine alte Ziege. Dem reichen Müller war die Alte schon lange zwei Dukaten schuldig. Weil sie das Geld aber noch immer nicht beisammen hatte, konnte sie es auch nicht zurückzahlen. Da ging die Alte zum Müller und sagte: »Habe doch Verständnis für meine Not und warte noch ein wenig! «Der Müller hatte aber ein hartes Herz. Er erwiderte: »Ich kann nicht mehr länger auf mein Geld warten. Wenn du deine Schuld nicht bis morgen bezahlst, komme ich und hole mir deine Ziege aus dem Stall!« »Mein Meckerle?« jammerte die Alte. »Die willst du mir wegnehmen? Wovon soll ich denn dann leben, wenn ich nicht einmal mehr das bißchen Milch habe?« »Das ist mir gleich«, polterte der Müller. »Es bleibt dabei: entweder das Geld oder die Ziege! «Und er kehrte der Frau den Rücken und ging wieder seiner Arbeit nach. Auf dem Heimweg rannen der Alten die Tränen über die Wangen. »Jetzt soll ich mein Meckerle hergeben; und dann muß ich betteln gehen, wenn ich nicht vor Hunger sterben will!« klagte sie. »Aber wenigstens du sollst noch einmal gut zu essen haben, Meckerle!« Und sie riß frisches Laub von den Bäumen und füllte es in ihren Tragkorb. Noch nie war der Frau die Last so schwer gewesen wie diesmal. Kaum daß sie das Futter schleppen konnte. Am Ufer des Waldbachs mußte sie rasten: die Beine schmerzten, und der Rücken tat ihr so weh, daß sie den Tragkorb auf den Boden stellte. Mit einemmal war ihr, als habe der Bach zu sprechen begonnen. Ganz deutlich hörte sie aus den Wellen eine Stimme rufen: »Tauch das Laub ins Wasser ein, wirst du morgen glücklich sein!« Als die Frau das hörte, dachte sie: »Es ist doch nicht möglich, daß das Wasser zu mir spricht! Ich muß mich getäuscht haben! «Aber gleich darauf hörte sie die seltsame Stimme wieder sagen: »Tauch das Laub ins Wasser ein, wirst du morgen glücklich sein! «Da stand die Alte auf, nahm das Laub aus dem Korb und tauchte es in das Wasser. Dann stopfte sie die nassen Blätter in den Korb zurück, hob ihn auf den Rücken und setzte ihren Weg fort. Daheim ging sie gleich in den Stall und warf der Ziege das Futter vor. Obwohl das Tier schon hungrig sein mußte, schnupperte es nur daran, wandte sich dann ab und meckerte kläglich. Die alte Frau setzte sich zu ihrer Ziege, klopfte ihr den Hals und sprach zu ihr wie zu einem Kind: »Sei nicht traurig, Meckerle! Auch wenn dich morgen der böse Müller holt. Schau, ich habe dir frisches Futter gebracht! «Die Ziege meckerte, leckte ihrer Herrin die Hand und stieß sie zärtlich mit dem Kopf. Das Futter rührte sie aber nicht an. Die ganze Nacht drückte die Alte vor Kummer kein Auge zu. Auch die Ziege schlief nicht. Sooft die Frau das Tier nebenan im Stall rumoren hörte, setzte sie sich im Bett auf, klopfte gegen die Wand und fragte leise: »Was hast du denn, Meckerle?« Und jedesmal antwortete die Ziege mit einem klagenden »Mäh! «Als der Morgen anbrach, begann die Ziege aber so jämmerlich zu meckern, daß die Frau dachte: »Was hat sie nur? Hungrig kann sie doch nicht sein! Ich habe ihr ja einen ganzen Korb Futter gebracht! « Weil die Ziege aber noch immer nicht still sein wollte, krabbelte die Alte aus dem Bett und ging in den Stall hinüber. Da lag noch der ganze Haufen Laub, und die Ziege stand daneben und meckerte vor Hunger. »Warum hast du denn nichts gefressen?« fragte die Frau erstaunt. »Ist das Futter vielleicht nicht gut?« »Mäh ... mäh ... mäh ...!« antwortete die Ziege und stieß das Maul in den Laubhaufen. Das kam der Frau seltsam vor, und sie griff hinein, um ein paar Blätter aufzuheben. Wie staunte sie aber, als sie unter ihren Fingern runde, harte Plättchen fühlte! Neugierig nahm sie eine Handvoll und trat damit ans Fenster. Jetzt erst sah sie, daß es funkelnagelneue Golddukaten waren! Alles Laub hatte sich in Geld verwandelt! Da mußte die Ziege freilich noch Hunger haben, denn Goldstücke hatte sie noch nie vorgesetzt bekommen. Die Frau aber war glücklich: nun hatte alle Not ein Ende! Mit Freudentränen in den Augen fiel sie der Ziege um den Hals und schluchzte: »Meckerle! Meckerle! Jetzt sind wir reich, und niemand kann uns voneinander trennen!« Am Nachmittag kam der Müller, um die Ziege zu holen. Die Frau griff aber nur lächelnd in den Schürzensack und hielt dem Müller die zwei Dukaten hin. »Mein Meckerle kriegst du nicht!« sagte sie. »Da ist dein Geld! Nimm es und geh! Von nun an haben wir nichts mehr miteinander zu tun! «Der geizige Müller machte große Augen. Er nahm die Dukaten und kehrte kopfschüttelnd in seine Mühle zurück. Die alte Frau aber ließ nun ihr Häuschen herrichten und baute der Ziege einen neuen Stall. Wenn der Tag besonders schön und warm war, führte sie ihr Meckerle zum Waldbach und ließ das Tier dort grasen. Sie selbst setzte sich dann immer an denselben Platz, an dem sie damals den Bach reden gehört hatte. Der aber blieb von nun an stumm, so aufmerksam sie auch lauschte.
3.
4.
In einem Tale hinten im Jura lebte einmal ein wohlhabender Müller mit seiner Frau. Die lag schon viele Jahre krank und war so siech, dass kein Doktor ihr mehr helfen konnte. Sie hatten einen Knaben, der ebenso freundlich und gutherzig war als der Vater habgierig und hart. In der Gegend hausten an den Halden und Hängen der Berge noch viele Zwerg lein, die oft zu Tal kamen und den Leuten allerlei Gutes taten. Sie halfen schaffen in Haus und Hof und griffen zu im Stall und auf dem Feld oder hüteten das Vieh. Einmal, als böse Teuerung übers Land kam und allerorten bittere Not an Brot war, kam eines Tages ein Zwergenmännlein vor die Tal mühle und begehrte ein wenig Mehl. Der Müller aber wies es barsch zurück und schickte es ohne Gabe fort. Das jammerte den Buben. Heimlich schlich er zum vollen Kasten, füllte des Männleins Säcklein mit dem feinsten Semmelmehl und steckte es ihm ungesehen durch die Gartenhecke zu. Als im Frühjahr der Knabe des Vaters Herde auf die Weide trieb, da stand auf einmal das Zwerglein vor ihm, dem er das Mehl gegeben, und lud ihn zu einem Fest der Zwerge in den Berg. Der Knabe ging mit. Durch einen hohlen Baum schlüpften sie in die Höhle, und je weiter sie gingen, desto grösser und schöner wurde es. Zuletzt kamen sie auf ein weites, ebenes Feld, darauf eine Menge Fruchtbäume standen. Hier war alles Gezwerg des Landes zu Schmaus und Kurzweil versammelt. Es wimmelte und wuselte allerorten von dem Völklein. Das Zwerglein, das den Knaben hergebracht, bat ihn zu Tische. Sie assen und tranken nach Herzensbegehr und hatten es ein Weilchen lustig. Bald aber verschwanden die anderen Erdleutchen, und der Knabe und das Männlein waren allein. Da brach der Zwerg von einem der Bäume einen prächtigen Apfel, goldgelb mit roten Backen. «Der ist für deine Mutter», sprach er, «sie soll ihn alsbald essen.» Dann nahm er von einem anderen Baum eine grosse, schöne Nuss.«Die ist für deinen Vater», sagte er, «denn es war ja doch sein Mehl, das du mir dazumal gabst, als ich Not litt.» Und zuletzt löste der Wicht eine Schnur von schimmernden Perlen von seinem Halse, hing sie dem Buben um und sagte: «Und hier ist ein kleines Andenken für dich, zum Dank, dass du mir in meiner Bedrängnis geholfen hast. Aber hör jetzt, was ich dir sage, und tue also: Wenn du wieder hinauf an den Tag kommst, so lege dich nieder und ruhe aus; denn du hast eine weite Reise gemacht, viel weiter, als du wohl denken magst.» Kaum gesagt, so stand der Knabe schon oben vor dem hohlen Baum, und so müde und matt war er in allen Gliedern, dass er sich ins Gras legte und lange tief und fest schlief. Als er endlich heimkam, da waren seine Eltern in grosser Angst, denn die Herde war ohne ihn nach Hause gekommen, und er war volle sieben Tage ausgeblieben. Jetzt teilte der Knabe die Geschenke des Zwerges aus. Die Mutter ass den Apfel und war vom Tage an gesund. Und als der Vater die Nuss auftat, fielen statt der Kerne zwei leuchtende Edelsteine heraus.
5.
Es war einmal ein Ehemann; der hatte eine Frau, die häufig zur Nachtzeit zum Tanze ging. Aber der Mann merkte das lange Zeit nicht, denn sie legte ihm allemal, wenn sie ausging, einen Besen ins Bett. Endlich aber merkte er's doch. Er passte auf, sah sie aber nur in die Küche hinaus gehen, und dann hörte und sah er nichts mehr von ihr. Am Morgen, als er erwachte, war sie wieder bei ihm im Bett. Das nächste Mal schlich er ihr nach und schaute durch das Schlüsselloch in die Küche hinaus. Da legte die Frau schöne Kleider an, putzte und schmückte sich wie ein lediges, hoffährtiges Meitli, nahm dann eine Salbe aus einem Häfelein, bestrich damit einen Stock, hielt diesen mit beiden Händen in das Kamin hinauf und murmelte dazu: »Obä-n-üß und niänä-n-a, Im Elsass unnä stillä stah.«Und im Herrjeeses war sie fort, zum Kamin hinaus. »Das könntest du auch machen!« dachte der Mann, ergriff das Häfelein, bestrich einen Stecken mit der Salbe und sagte dazu: »Obä-n-üß und a!« Er hatte nicht alles verstanden. Da fuhr er wie der Teufel in die Höhe, prallte aber am Kaminrand an und zerschlug so märterlich den Kopf, dass er halb ohne Verstand auf den Küchenboden hinunter fiel. Am nächsten Morgen merkte die Frau an dem verbeuleten Kopf des Mannes, was geschehen, aber sie sagte kein Wörtlein und der Mann auch nicht. Dieser gab es noch nicht verspielt. Wieder passte er seinem schönen Fraueli auf und machte es ihm nach. Diesmal sagte er: »Obä-n-üß und niänä-n-a!« Jetzt fuhr er grossartig zum Kamin hinaus. Aber draussen wusste er nicht wohin, und deshalb fiel er bald in die Dornen und wurde herumgeschleift, bis er den Stecken fahren liess. Als er erst beim Morgengrauen heimkam, war die Frau schon wach und sagte spöttisch, indem sie den Zerschundenen von oben bis unten mit einem hämischen Lächeln betrachtete: »Wemmä will aarig sy, müess mä gschyder darzüe tüe.«
6.
Es war einmal ein Bauer, der heiratete ein Mädchen, das war die Liese. Sie war die schönste Bauerndirn weit und breit — aber leider auch die dümmste. Als die junge Frau am Morgen nach der Hochzeit mit der Hausarbeit beginnen sollte, blickte sie ihren Mann nur ratlos an und fragte ihn mit unschuldsvollem Blick: »Was soll ich denn eigentlich tun?« Der Mann war darüber sehr erstaunt, und er dachte sich: »Das fängt ja gut an!« Weil er aber keine Zeit hatte, ihr jeden Handgriff zu erklären, sagte er: »Gehe doch hinüber zur Nachbarin, liebe Liese, schau, was sie macht, und mache dasselbe!« Dann eilte er aufs Feld. Nun hatte aber die Nachbarin am Vortag ihren alten Ofen abgerissen. Als Liese neugierig durch das Fenster guckte, sah sie, daß die Frau eben dabei war, einen neuen Ofen zu bauen. »Eigentlich schade um unseren schönen Ofen!« dachte Liese. »Aber mein Mann hat gesagt: ,Mache, was die Nachbarin macht!' und daran will ich mich halten!« Sie nahm also einen großen Hammer und zerschlug den brandneuen Ofen in der Stube. Dann versuchte sie, aus den Trümmern einen neuen zusammenzusetzen. Das wollte und wollte ihr nicht gelingen. Sooft sie einige Ziegel aufgeschichtet hatte, fielen sie wieder um. Während sie sich noch plagte, kam ihr Mann vom Feld heim. Als er den kaputten Ofen sah, rief er entsetzt: »Ja, Liese, was hast du denn angerichtet?« »Nichts, lieber Mann!« erwiderte sie. »Ich bin ganz folgsam gewesen. Nur schade, daß mir der Ofen immer zusammenfällt! Jener der Nachbarin sieht doch viel besser aus!« Nur mit Mühe unterdrückte der Bauer seinen Ärger. Er plagte sich bis tief in die Nacht hinein, um den Ofen wieder aufzubauen. Das war freilich schwer, denn seine Frau hatte viele gute Ziegel zerschlagen. Auch am nächsten Morgen wollte die dumme Liese wissen: »Was soll ich denn heute tun?« Der Bauer hatte es schon wieder eilig, und so sagte er auch diesmal: »Schau, was die Nachbarin macht, und mache es wie sie. Aber denke dir etwas dabei!« Gleich lief die Liese über die Straße und guckte wieder heimlich durch das Fenster in die Stube. Die Nachbarin hatte gerade ihren Waschtag. Sie stand an einem großen Kessel voll Lauge und warf die schmutzige Wäsche hinein. Sofort eilte Liese nach Hause zurück. Sie machte in der Waschküche Feuer und füllte den Kessel mit Lauge, wie es die Nachbarin getan hatte. Weil sie aber keine Schmutzwäsche hatte, wußte sie nicht, was sie in den Kessel geben sollte. »Also denke ich mir was dabei J— wie mein lieber Mann mir aufgetragen hat!« murmelte sie vor sich hin — und hatte auch schon einen prächtigen Einfall! Sie nahm den neuen Pelzrock und die schönen Stiefel des Bauern und kochte sie gründlich aus. Als sie jedoch den Rock und die Stiefel wieder herausfischte, zerfiel ihr der Pelz in der Hand, und auch die Stiefel waren ganz verdorben. »Du dumme, dumme Frau!« rief der Bauer entsetzt, als er am Abend heimkam und die Bescherung sah. »Was hast du denn jetzt wieder angestellt!« »Ich? Nichts!« sagte sie unschuldig. »Ich bin sehr fleißig und folgsam gewesen — nur: die Nachbarin hatte Wäsche, und ich hatte keine!« Da ging der Bauer aus der Stube und warf hinter sich die Türe zu. Am nächsten Morgen war er immer noch böse auf seine dumme Frau und wollte grußlos das Haus verlassen. Aber die Liese lief ihm nach und rief: »Du hast mir noch gar nicht gesagt, was ich heute machen soll! «Am liebsten hätte der Mann ihr aufgetragen: »Rühre nur ja nichts an!« Aber damit ließ sich auf die Dauer kein Haushalt führen — und jeden Tag konnte die Nachbarin doch nicht Öfen abtragen oder Wäsche waschen. Also sagte der Bauer noch einmal zu seiner Frau: »Schau, was die Nachbarin macht, und mache es ihr nach! Aber denke dir nicht nur was dabei, sondern handle auch danach!« So ging also Liese zum drittenmal ins Nachbarhaus. Diesmal stand die Frau am Herd, hatte einen Kohlkopf im Topf und legte Speck darauf. »Das ist einfach!« sagte sich Liese. »Das kann ich leicht nachmachen! Und weil ich so tüchtig bin, will ich es nicht mit einem einzigen Krautkopf bewenden lassen! Mein lieber Mann soll sehen, daß ich mir wirklich etwas dabei gedacht habe und danach handeln kann! «So nahm die dumme Liese also eine große Speckseite und schnitt das ganze Stück in lauter kleine Schnitzelchen. Die lud sie in die Schürze, ging in den Garten und schichtete sorgfältig auf jeden Kohlkopf im Beet ein Häufchen Speck. Als sie sich zwischendurch einmal umdrehte, um ihr Werk zu bewundern, entdeckte sie, daß Karo, der Hofhund, ihr gefolgt war. Er trottete von Kohlkopf zu Kohlkopf und fraß den Speck herunter. »Du Mistvieh!« rief Liese aufgebracht. »Warte nur! Ich sperre dich irgendwo ein, wo du keinen Schaden mehr anrichten kannst! Aber wo? — Ach, ich weiß schon: im Weinkeller! «Sie packte den widerstrebenden Karo am Halsband und band ihn im Keller an den Hahn des größten Weinfasses. Mittlerweile waren aber die beiden Hunde der Nachbarin durch den Zaun geschlüpft. Als Liese wieder in den Garten kam, fraßen sie eben die letzten Speckstückchen von den Kohlköpfen. Wütend packte Liese einen Besen und vertrieb die Hunde mit lautem Schimpfen. Karo im Keller hörte das Bellen und Keifen, und er zog und zerrte mit aller Kraft an der Leine. Dabei öffnete er den Hahn, und der gute Wein begann aus dem großen Faß auszufließen. Als Liese in den Keller kam, um den Hund zu befreien, war bereits der ganze Boden überschwemmt. »Wie gut, daß das Faß schon leer ist!« rief Liese erleichtert, nach- dem sie sich vom ersten Schrecken erholt hatte. »Würde der Wein immer weiterfließen, müßte ja bald das ganze Haus ertrinken! «Dann aber überlegte sie, wie sie den Keller wieder trockenlegen sollte. Da fiel ihr ein, daß ihr Mann am Tag vorher aus der Mühle zwei Säcke Mehl bekommen hatte. Rasch entschlossen schleppte sie die beiden Säcke in den Keller und schüttete das frische Mehl auf den Boden. Dabei dachte sie: »Wie wird mein Mann sich freuen, wenn er sieht, was für eine kluge Frau er hat!« Am Abend kam der Bauer müde und hungrig nach Hause. Er wollte Speck essen und dazu ein Glas Wein trinken — aber der Speck war weg, und das Faß war leer. Dem guten Mann blieb zuerst vor Bestürzung das Wort im Mund stecken. Dann aber schimpfte er aus voller Kehle: »Wie schrecklich dumm du doch bist! Wenn du es so weitertreibst, sind wir in kurzer Zeit ärmer als die Kirchenmäuse!« Am nächsten Morgen war der Bauer noch immer so böse auf seine Frau, daß er sie gar nicht sehen wollte. Er stand noch früher auf als sonst und ging aus dem Haus. Kaum aber war er am Tor, riß die Liese das Schlafzimmerfenster auf und rief ihm nach: »Lieber Mann, was soll ich denn heute tun? «Zur Nachbarin schicken wollte der Mann seine Frau nicht noch einmal. Wenn er ihr aber gar keine Arbeit auftrug, richtete sie womöglich noch mehr Schaden an. Der Bauer überlegte eine Weile, dann sagte er: »Ich weiß eine Arbeit, die wird dir bestimmt nicht schwerfallen! Hinter unserem Ofen steht ein kleiner Tontopf mit Kürbiskernen. Gib acht, daß er nicht davonläuft!« »Schon gut, schon gut!« erwiderte die dumme Liese. »Du kannst beruhigt aufs Feld gehen, lieber Mann! Ich werde höllisch scharf auf den Topf aufpassen!« Gleich setzte sie sich auf die Ofenbank, legte die Hände in den Schoß und bewachte den Topf. Mit der Zeit wurde ihr das Nichtstun aber doch langweilig. Liese stand von der Bank auf, trat ans Fenster und blickte hinaus auf die Straße. Da sah sie viele Frauen zum Marktplatz eilen. Und als sie wenig später zurückkamen, trugen sie schöne Tonschüsseln und Krüge unter dem Arm. Da dachte die dumme Liese: »Ich muß doch sehen, was da draußen eigentlich los ist!« Sie eilte aus dem Haus und lief auf den Markt. Dort sah sie einen Töpfer sitzen, der seine Ware verkaufte. »Schade, daß ich kein Geld habe!« dachte Liese. »Wie gut würden sich die schönen Schüsseln und Tassen in unserer Küche ausnehmen! — Ach, ich weiß schon, was ich mache! Auf unseren Topf muß ich aufpassen; von den Kürbiskernen hat mein lieber Mann aber kein Wort gesagt! « Rasch ging sie nach Hause, nahm den Topf vom Ofen und kam auf den Markt zurück. »Lieber Töpfer,« sagte sie zum Händler, »Geld habe ich leider keines; aber meine guten Kürbiskerne kannst du haben! Was gibst du mir denn dafür?« »Für Kürbiskerne?« erwiderte der Mann geringschätzig. »Dafür gebe ich gar nichts!« »Sie sind aber besonders groß und fest!« sagte Liese und zeigte dem Händler ihren schönsten Schmollmund. Da nahm der Händler ihr zuliebe den Topf und wühlte ein wenig in den Kernen herum. Dabei kamen ihm zu seiner Überraschung ein paar Goldstücke zwischen die Finger! Er streifte rasch wieder Kürbiskörner darüber und sagte zu Liese: »Gute Frau, diese Körner sind wirklich so schön, daß ich dir dafür mein ganzes restliches Geschirr geben will!« Liese freute sich närrisch über dieses verlockende Angebot. »Den Topf muß ich aber behalten!« sagte sie. »Mein Mann hat mir aufgetragen, darauf zu achten, daß er nicht davonläuft!« Das konnte sich der Händler schon denken. »Ich komme später bei deinem Haus vorbei und lade die Waren ab!« sagte er. »Inzwischen fülle ich die Kürbiskerne um, und du bekommst deinen Topf bald wieder zurück!« Wirklich fuhr er eine Stunde darauf beim Haus vor und lud alle seine Krüge, Pfannen und Töpfe ab. Kaum jedoch hatte er seine Waren auf den Boden gestellt, suchte er auch schon das Weite. Die dumme Liese war überglücklich. Sie machte gleich das ganze Wandbrett über dem Ofen frei und stellte das neue Geschirr darauf. Nur für das kleine Töpfchen, in dem zuvor die Kürbiskerne gewesen waren, blieb nun kein Platz mehr. »Seid nicht so neidisch, ihr dummen Gesellen!« rief Liese den anderen Tongeräten zu. »Rückt doch ein wenig zusammen! Euer kleines Brüderchen will auch ein Plätzchen haben!« Die Töpfe und Schüsseln rührten sich aber nicht vom Fleck. Da wurde die dumme Liese böse. Sie nahm einen Stock und warf damit alles Geschirr vom Wandbrett herunter, daß es in tausend Stücke brach. Dann stellte sie den kleinen Topf mitten auf das leere Brett und sagte zu ihm: »Jetzt hast du Platz genug, mein Herzenstöpfchen! Du sollst es immer gut bei mir haben; dann muß mein Mann nie befürchten, daß du uns eines Tages davonläufst!« Während sie noch so mit dem Töpfchen redete, kam der Bauer nach Hause. Er sah die vielen Scherben auf dem Boden liegen und rief entsetzt: »Ja, was ist denn da geschehen? «Voll Stolz erzählte Liese von dem günstigen Geschäft, das sie mit dem Töpfer gemacht hatte. »Das Geschirr war aber ungehorsam; da habe ich es zur Strafe auf den Boden geworfen! «Jetzt geriet der Bauer in hellen Zorn. »Du Unglücksweib!« schrie er sie an. »Den Topf mit den Kürbiskernen hast du aus der Hand gegeben? Habe ich dir nicht gesagt, du sollst gut auf ihn aufpassen? Unter den Kernen war mein ganzes erspartes Geld versteckt! Jetzt sind wir bettelarme Leute! — Weißt du wenigstens, in welche Richtung der Händler davongefahren ist?« Liese stand da und brachte zuerst keinen Ton heraus. Dann sagte sie zögernd: »Geradeaus ist er gefahren!« »Weißt du das sicher?« fragte der Bauer mißtrauisch. »Oder nach rechts!« murmelte Liese kleinlaut. »Oder nach links, was?« rief der Mann höhnisch. »Kann auch sein«, flüsterte sie. Da blieb dem Mann keine andere Wahl, als auf gut Glück hinter dem Händler herzurennen. Liese eilte ihm mit fliegenden Schürzenzipfeln nach. Im Laufen wandte swühlte ein wenig in den Kernen herum. Dabei kamen ihm zu seiner Überraschung ein paar Goldstücke zwischen die Finger! Er streifte rasch wieder Kürbiskörner darüber und sagte zu Liese: »Gute Frau, diese Körner sind wirklich so schön, daß ich dir dafür mein ganzes restliches Geschirr geben will!« Liese freute sich närrisch über dieses verlockende Angebot. »Den Topf muß ich aber behalten!« sagte sie. »Mein Mann hat mir aufgetragen, darauf zu achten, daß er nicht davonläuft!« Das konnte sich der Händler schon denken. »Ich komme später bei deinem Haus vorbei und lade die Waren ab!« sagte er. »Inzwischen fülle ich die Kürbiskerne um, und du bekommst deinen Topf bald wieder zurück!« Wirklich fuhr er eine Stunde darauf beim Haus vor und lud alle seine Krüge, Pfannen und Töpfe ab. Kaum jedoch hatte er seine Waren auf den Boden gestellt, suchte er auch schon das Weite. Die dumme Liese war überglücklich. Sie machte gleich das ganze Wandbrett über dem Ofen frei und stellte das neue Geschirr darauf. Nur für das kleine Töpfchen, in dem zuvor die Kürbiskerne gewesen waren, blieb nun kein Platz mehr. »Seid nicht so neidisch, ihr dummen Gesellen!« rief Liese den anderen Tongeräten zu. »Rückt doch ein wenig zusammen! Euer kleines Brüderchen will auch ein Plätzchen haben!« Die Töpfe und Schüsseln rührten sich aber nicht vom Fleck. Da wurde die dumme Liese böse. Sie nahm einen Stock und warf damit alles Geschirr vom Wandbrett herunter, daß es in tausend Stücke brach. Dann stellte sie den kleinen Topf mitten auf das leere Brett und sagte zu ihm: »Jetzt hast du Platz genug, mein Herzenstöpfchen! Du sollst es immer gut bei mir haben; dann muß mein Mann nie befürchten, daß du uns eines Tages davonläufst!« Während sie noch so mit dem Töpfchen redete, kam der Bauer nach Hause. Er sah die vielen Scherben auf dem Boden liegen und rief entsetzt: »Ja, was ist denn da geschehen? «Voll Stolz erzählte Liese von dem günstigen Geschäft, das sie mit dem Töpfer gemacht hatte. »Das Geschirr war aber ungehorsam; da habe ich es zur Strafe auf den Boden geworfen! «Jetzt geriet der Bauer in hellen Zorn. »Du Unglücksweib!« schrie er sie an. »Den Topf mit den Kürbiskernen hast du aus der Hand gege- ben? Habe ich dir nicht gesagt, du sollst gut auf ihn aufpassen? Unter den Kernen war mein ganzes erspartes Geld versteckt! Jetzt sind wir bettelarme Leute! — Weißt du wenigstens, in welche Richtung der Händler davongefahren ist?« Liese stand da und brachte zuerst keinen Ton heraus. Dann sagte sie zögernd: »Geradeaus ist er gefahren!« »Weißt du das sicher?« fragte der Bauer mißtrauisch. »Oder nach rechts!« murmelte Liese kleinlaut. »Oder nach links, was?« rief der Mann höhnisch. »Kann auch sein«, flüsterte sie. Da blieb dem Mann keine andere Wahl, als auf gut Glück hinter dem Händler herzurennen. Liese eilte ihm mit fliegenden Schürzenzipfeln nach. Im Laufen wandte sich der Mann um und rief seiner Frau zu: »Liese, du hast ja die Haustür offenstehen lassen! Sperre sie schnell zu; sonst wird uns noch der letzte Besitz gestohlen!« Folgsam lief Liese zurück. In ihrer Aufregung steckte sie aber den Schlüssel immer wieder verkehrt ins Schloß, so daß er nicht sperren konnte. Schließlich riß ihr die Geduld. Sie hob kurzerhand die ganze Türe aus den Angeln, packte sie sich auf den Rücken und lief zu ihrem Mann zurück. »Warte auf mich!« rief sie. »So warte doch! Ich konnte die Tür nicht verschließen; da habe ich sie gleich mitgebracht! Bin ich nicht eine kluge Frau?« Jetzt hatte der Mann endgültig genug von ihr. Aus Leibeskräften rannte er seinem dummen Weib davon, über Berg und Tal, und wurde nie wieder gesehen. Liese irrt aber seitdem noch immer mit der Haustür auf dem Rücken durch die Welt. Es könnte allerdings sein, daß sie inzwischen nach Dummliesendorf gekommen ist. Dort schöpfen die Frauen das Wasser im Nudelsieb aus dem Brunnen, um damit Feuer zu machen. Falls unsere Liese wirklich dort ist, hat man sie bestimmt schon zum Oberdummkopf ernannt.
7.
Einstmals ging ein junger Buchbinder-Geselle in die Fremde, und wanderte lange Zeit und besah sich so recht die schöne große Welt; er wanderte, bis kein Kreuzerlein mehr in seiner Tasche klimperte. Da endlich nöthigte ihn sein gespanntes Verhältniß mit dem schlaff gewordenen Geldbeutel ernstlich der Arbeit nachzufragen, und bald ward er auch von einem Meister angenommen, und bekam es sehr, sehr gut. Sein Meister sprach zu ihm: "Gesell, Du wirst es gut bei mir haben; die Arbeit, die Du täglich zu thun hast, ist sehr geringe. Du kehrst nur die Bücher hier alle Tage recht säuberlich ab, und stellst sie dann nach der Ordnung wieder auf. Aber dieses eine Büchlein, welches hier apart steht, darfst Du nicht anrühren, viel weniger hineinsehen, sonst ergeht Dir's schlimm, Bursche, merke Dir's. Dagegen kannst Du in den andern Büchern lesen, so viel Du nur magst." Der Geselle beherzigte die Worte seines Meisters sehr wohl und hatte zwei Jahre lang die besten Tage, indem er täglich nur die Bücher säuberte, dann in manchen derselben las, und dabei die vortrefflichste Kost hatte - jenes verbotene Büchlein ließ er gänzlich unangerührt. Dadurch erwarb er sich das volle Vertrauen seines Herrn, so daß dieser öfters tagelang vom Hause entfernt blieb, und auch zuweilen eine Reise unternahm. Aber wie stets dem Menschenherzen nach Verbotenem gelüstet, so regte sich einstmals, als der Meister auf mehrere Tage verreist war, in dem Gesellen eine mächtige Begierde, endlich doch zu wissen, was in dem Büchlein stehe, das immer ganz heilig an seinem bestimmten Orte lag. - Denn alle andern Bücher hatte er bereits durchgelesen. Zwar sträubte sich sein Gewissen, das Verbotene zu thun, aber die Neugierde war mächtiger; er nahm das Büchlein schlug es auf und fing an darinnen zu lesen. In dem Büchlein standen die größesten, kostbarsten Geheimnisse, die kräftigsten Zauberformeln waren darinnen enthalten, und es stellte sich dem staunenden, höchst verwunderten Jüngling alles nach und nach so sonnenklar heraus, daß er schon anfing, Versuche im Zaubern zu machen. Alles gelang. Sprach der Jüngling ein kräftiges Zaubersprüchlein aus diesem Büchlein, so lag im Nu das Gewünschte vor ihm da. Auch lehrte das Büchlein, die menschliche Gestalt in jede andere zu verwandeln. Nun probirte er mehr und mehr, und zuletzt machte er sich zu einer Schwalbe, nahm das Büchlein, und flog im schnellsten Fluge seiner Heimath zu. Sein Vater war nicht wenig erstaunt, als eine Schwalbe zu seinem Fensterlein einflog, und plötzlich dann aus ihr sein Sohn wurde, den er zwei Jahre lang nicht gesehen. Der Bursche aber drückte den Alten herzlich an seine Brust und sprach: "Vater, nun sind wir glücklich und geborgen, ich bringe ein Zauberbüchlein mit, durch welches wir die reichsten Leute werden können." Das gefiel dem Alten wohl, denn er lebte sehr dürftig. Bald darauf machte sich der junge Zauberer zu einem überaus großen, fetten Ochsen, und sprach zu seinem Vater: "Nun führet mich zum Markt, und verkauft mich, aber fordert ja viel, recht viel, man wird mich theuer bezahlen, und vergesset ja nicht das kleine Stricklein, welches um meinen linken Hinterfuß gebunden ist, abzulösen, und wieder mit heim zu nehmen, sonst bin ich verloren." Das machte der Vater alles so; er verkaufte den Ochsen für ein schweres Geld, denn als er nur mit ihm auf den Markte erschien, versammelte sich gleich ein Haufen Volkes um ihn, alles bewunderte den Raritäts-Ochsen und Christen und Juden schlugen sich darum, ihn zu kaufen. Der Käufer aber, der das höchste Gebot that, und bezahlte, und den Ochsen im Triumph von dannen führte, hatte am andern Morgen statt des herrlichen Ochsens ein Bündlein Stroh in seinem Stalle liegen. Und der Buchbindergeselle - der war wohlgemuth wieder daheim bei seinem Vater, und lebte mit ihm herrlich und in Freuden von dem runden Geldsümmlein. Bald darauf verzauberte er sich wieder in einen prächtigen Rappen, und ließ sich von seinem Vater auf den Roßmarkt führen und verkaufen. Da lief wieder das Volk zusammen, um das wunderschöne glänzend schwarze Roß zu sehen. -Jener Meister Buchbinder aber, als er nach Hause zurückgekehrt war, hatte gleich gesehen, was vorgegangen, und da er eigentlich kein Buchbinder, sondern ein mächtiger Zauberer war, der nur zum Schein diese Beschäftigung trieb, so wußte er auch gleich, wie viel es geschlagen hatte, und setzte dem Entflohenen nach. Auf jenem Roßmarkt nun war der Meister unter den Käufern, und da er alle Stücklein des Zauberbüchelchens kannte, so merkte er alsobald, was es für eine Bewandtniß mit dem Pferd habe, und dachte: Halt, jetzt will ich dich fangen. Und so suchte er für jeden Preis das Pferd zu kaufen, was ihm auch ohne große Mühe gelang, weil er es gleich um den ersten Verkaufspreis annahm. Der Vater kannte den Käufer nicht, aber das Pferd fing an, heftig zu zittern und zu schwitzen, und gebehrdete sich äußerst scheu und ängstlich, doch es konnte der Vater die nun so gefährliche Lage seines Sohnes nicht ahnen. Als das Pferd in den Stall des neuen Eigenthümers eingeführt und an den für dasselbe bestimmten Platz gestellt war, wollte der Vater wieder das Stricklein ablösen; aber der Käufer ließ dieses durchaus nicht zu, da er sehr wohl wußte, daß es dann um seinen Fang geschehen wäre. So mußte denn der Vater ohne Stricklein abziehen, und dachte in seinem Sinn: er wird sich schon helfen; kann er so viel, daß er sich zu einem Pferde macht, kann er sich gewiß auch wieder durch seine Zauberkunst dort in dem Stall losmachen und heim kommen. In jenem Pferdestall aber war ein mächtiges Gedränge von Menschen; Groß und Klein, Alt und Jung - Alles wollte das ausgezeichnet schöne Roß beschauen. Ein kecker Knabe wagte sogar das Pferd zu streicheln und liebkosend zu klopfen, und es ließ sich dieses, wie es schien, gar gerne gefallen, und als dieser Knabe sich immer vertraulicher näherte und das Pferd am Kopf und am Hals streichelte, da flüsterte es dem Knaben ganz leise zu: "Liebster Junge, hast Du kein Messerchen einstecken?" Und der froh verwunderte Knabe antwortete: "O ja, ich habe ein recht scharfes." Da sprach der Rappe wieder ganz leise: "Schneide einmal das Stricklein an meinem linken Hinterfuß ab" und schnell schnitt es der Knabe entzwei. Und in diesem Augenblick fiel das schöne Roß vor aller Augen zusammen und ward ein Bündlein Stroh, und daraus flog eine Schwalbe hervor, und aus dem Stall empor in die hohen blauen Lüfte. Der Meister hatte das Roß nur einen Augenblick außer Acht gelassen, jetzt war keine Zeit zu verlieren. Er brauchte seine Kunst, verwandelte sich rasch in einen Geier, und schoß der flüchtigen Schwalbe nach. Es bedurfte nur noch einer kleinen Weile, so hatte der Geier die Schwalbe in seinen Klauen, aber das Schwälblein merkte den Feind, blickte nieder auf die Erde, und sah da gerade unter sich ein schönes Schloß und vor dem Schloß saß eine Prinzessin und flugs verwandelte sich das Schwälblein in einen goldenen Fingerreif, fiel nieder, und gerade der holden Prinzessin auf den Schooß. Die wußte nicht, wie ihr geschah, und steckte das Ringlein an den Finger. Aber die scharfen Augen des Geiers hatten alles gesehen, und rasch verwandelte sich der Zauber-Meister aus einem Geier in einen schmucken Junker und trat fein heran zur Prinzessin und bat sie höflichst und unterthänigst, dieses Ringlein, mit welchem er so eben ein Kunststück gemacht habe, ihm wieder einzuhändigen. Die schöne Prinzessin lächelte errötend, zog das Ringlein vom Finger, und wollte es dem Künstler überreichen, doch siehe, da entfiel es ihren zarten Fingern und rollte als ein winziges Hirsekörnlein in eine Steinritze. Im Augenblicke verwandelte sich der Junker und wurde ein stolzer Gückelhahn, der mit seinem Schnabel emsig in der Steinritze nach dem Hirsekörnlein pickte, aber gleich darauf wurde aus dem Hirsekörnlein ein Fuchs, und dieser biß dem Gückel den Kopf ab. Und somit war der Zauber-Meister besiegt. Jetzt aber nahm der junge Geselle wieder seine Gestalt an, sank der Prinzessin zu Füßen, und pries sie dankend, daß sie ihn an ihrem Finger getragen und sich so mit ihm verlobt habe. Die Prinzessin war über alles, was vorgegangen war, mächtig erschrocken, denn sie war noch sehr jung und unerfahren und schenkte ihm ihr Herz und ihre Hand, doch unter der Bedingung, daß er fortan aller Verwandlung entsage, und ihr unwandelbar treu bleibe. Dieß gelobte der Jüngling und opferte sein Zauberbüchlein den Flammen, woran er indeß sehr übel that, denn er hatte es ja Dir, lieber Leser, oder mir, schenken und vermachen können.
8.
In alter Zeit ist mal ein Edelmann gewesen, der hatte einen großen, schönen Wald und vieles Wild darin, aber alle seine Jägerburschen, die er noch gehabt hatte, wenn sie ausgingen, in dem Wald zu jagen, so kamen sie nicht wieder zurück, so daß zuletzt keiner mehr bei dem Edelmann im Dienst gehen wollte. Nach langer Zeit kam endlich mal wieder ein junger hübscher Bursche zugereist, der stellte sich dem Edelmann als Jäger vor; da sagte ihm der Edelmann, wie es mit dem Wald bestellt wäre, und daß noch keiner wieder daraus zurückgekommen sei, aber der Bursche bat so viel, er möchte ihn doch annehmen, daß er ihn zuletzt doch in seinen Dienst nahm. Gleich den andern Tag sattelte der Jäger sein Pferd und zog zum Jagen in den Wald hinein. Nicht lange war er geritten, so sah er auf einmal dicht vor sich elf prächtige Hirschkühe und einen prächtigen Hirschbock, der trug ein Geweih von purem Gold. Da faßte den Jäger ein heftiges Verlangen, dem wunderbaren Hirsche zu folgen, daß er ihn womöglich erjagen möchte; darum trieb er sein Pferd zu raschem Laufe an. Die zwölf Hirsche aber, als er ihnen nachsetzte, sprangen eilig davon; und zuletzt wurde der Wald so wüst und dicht, daß er die Hirsche ganz aus den Augen verlor und sich verirrte. Mit dem, so brach auch die Nacht herein.Da stieg der Jäger auf einen hohen Baum und sah von da aus der Ferne her ein Licht schimmern. Als er nun in der Richtung, wo das Licht herschien, weiterritt, so kam er an einen großen Pferdestall, darin brannte die Stallaterne, und das war das Licht gewesen, welches er von dem Baume aus hatte schimmern sehen. Da band er sein Pferd wie die anderen Pferde in den Stall. Der Pferdestall gehörte aber zu einem Schloß, das stand nicht weit davon, und als der Jäger da hineinging, so fand er alles aufs schönste eingerichtet, aber es war ganz still darin, und kein lebendes Wesen zu hören und zu sehen. Nun stand da ein Schrank voll schöner Lesebücher, da nahm der Jäger eines von ihnen in die Hand, um sich die Zeit zu verkürzen. Mit einem Mal so wurde eine Stimme wach, die rief: »Was beliebt?« »Ei!« sprach der Jäger, »wenn's nach meinem Belieben geht, so möchte ich wohl Waschwasser haben und ein gutes Abendbrot.« Und was er verlangt hatte, das wurde ihm auch alles hergebracht. Da wusch er sich und setzte sich zum Abendessen, und als er gegessen hatte, nahm er wieder sein Buch zur Hand und las. Um elf Uhr ließ sich wieder die Stimme vernehmen und sagte: wenn es zwölf wäre, so kämen vier Männer und schleppten ihn im ganzen Schloß herum; dabei dürfte er aber ja keinen Laut von sich geben, sonst müßte er sterben. Und richtig! Mit dem Schlag zwölf tat sich die Türe auf und herein traten vier schwarze Männer, die faßten ihn unsanft an, schleiften ihn treppauf, treppab im ganzen Schloß herum; er gab aber keinen Laut von sich, und als der Schlag eins aus der Glocke ging, da brachten sie ihn wieder in sein Zimmer zurück. Da sagte die Stimme: Auf dem Tische stände Salbe, damit sollte er sich einreihen, und dann in dem Nebenzimmer ein schönes Bett, da sollte er sich hineinlegen. Das tat der Jäger auch, und den andern Morgen, da er erwachte, waren alle seine Schmerzen vorüber. Es stand auch schon ein Morgenbrot bereit. Er erhob sich, als er das sah, von seinem Lager, verzehrte, was ihm gebracht war, und nachdem, so setzte er sich wieder hin und las schöne Geschichtsbücher, die er nach Belieben aus dem Schranke nehmen konnte. Den ganzen Tag über wurde er mit Essen und Trinken wohl versorgt, so daß es ihm sicher alles Wohlgefallen hätte, wenn ihm nicht die unheimlichen schwarzen Männer von der Nacht vorher noch zu lebhaft in Gedanken gewesen wären. Darum dachte er, als der Abend anbrach, heimlich davonzugehen. Aber o weh! Die Zugbrücke war aufgezogen und alle Anstrengungen, sie herunterzulassen, waren vergeblich. Da mußte er denn wohl wieder umkehren, er mochte wollen oder nicht. Um elf Uhr wurde wieder die Stimme laut und sagte: statt daß gestern vier gekommen wären, würden heute nacht acht kommen und ihn im ganzen Schlosse herumtragen; wenn er aber den geringsten Laut von sich gäbe, so müßte er sterben. Und richtig! Mit dem Schlag zwölf tat sich die Türe auf und herein traten acht große schwarze Männer, die packten ihn bei den Beinen und schleiften ihn mit dem Kopfe zuunterst treppauf, treppab im ganzen Schlosse herum, daß ihm alle Rippen im Leibe knackten und sein Kopf voller Beulen war. Aber doch gab er keinen Laut von sich; und wie der Schlag eins aus der Glocke ging, da brachten sie ihn wieder hin, wo sie ihn hergeholt hatten. Da sagte die Stimme wieder: auf dem Tische stände Salbe, da solle er sich einreihen, und in dem Nebenzimmer stände ein schönes Bett, da solle er sich hineinlegen. Das tat der Jäger auch; und den anderen Morgen, als er erwachte, war sein Kopf wieder heil und tat ihm kein Finger weh. Es stand auch schon ein gutes Morgenbrot bereit, das verzehrte er mit Behagen, und nachdem so setzte er sich wieder hin und las noch viel schönere Bücher als er den Tag vorher gelesen hatte, und zu bestimmter Zeit kriegte er auch wieder sein gutes Essen und war ganz vergnügt bis zum Abend, wo es anfing, dunkel zu werden; da fielen ihm die schwarzen Männer wieder ein, und herzlich gerne hätte er sich auf und davon gemacht, wenn er nur gekonnt hätte. Um elf Uhr sagte die Stimme: anstatt daß gestern acht gekommen wären, kämen heute zwölf; er sollte aber nur standhaft bleiben und kein Wort sagen, sonst müßte er sterben. Und richtig! Mit dem Schlag zwölf tat sich die Türe auf, und herein traten zwölf kohlschwarze Männer, die banden ihm Hände und Füße mit eisernen Ketten und schleiften ihn im ganzen Schlosse herum und zuletzt hinaus auf den Hof zu einem tiefen Brunnen und taten, als ob sie ihn hineinwerfen wollten. Aber doch blieb er standhaft und gab keinen Laut von sich. Sowie der Schlag eins aus der Glocke ging, brachten sie ihn wieder zurück in sein Gemach. Er war halbtot, und alle Knochen taten ihm im Leibe weh, aber diesmal kam keine Salbe und ihm wurde auch kein Bett gegeben, so daß er auf allen vieren in eine Ecke kroch und da liegenblieb. Die ganze Nacht tat er vor Schmerzen kein Auge zu, und den andern Morgen wurde auch kein Essen gebracht; aber es dauerte nicht lange, so klopfte jemand an die Tür, und als der Jäger »herein« rief, da erschien ein wunderschönes Mädchen, das gab ihm von der Heilsalbe und sagte: in dem Nebenzimmer im Schrank, da hingen königliche Kleider, die sollte er anziehen, und wenn er das getan hätte, so sollte er nur oben heraufkommen. Damit ging sie wieder hinaus. Der Jäger zog nun, nachdem er mit der Salbe seine Schmerzen gestillt hatte, die königlichen Kleider an und ging dann oben in das Schloß hinauf, und als er in den Saal trat, so saß da eine wunderschöne Prinzessin mit ihren elf Jungfrauen; das waren die zwölf Hirsche gewesen, die der Jäger verfolgt hatte; der mit den goldenen Hörnern war die Prinzessin. Da bedankte sie sich bei dem Jäger, daß er sie durch seine Standhaftigkeit nun befreit hatte. Nachdem so wurde der Jäger König und hielt Hochzeit mit der schönen Prinzessin, und es wurde getanzt und geschmaust; und wenn die Hochzeit noch nicht zu Ende ist, so dauert sie heute noch.
9.
Im Graubündnerland gibt's eine Schloßruine, heißt Ruchenberg und liegt zwischen den schönen Ortschaften Trimmis und Zizers. Dort gespenstert's seit alter Zeit. Eines Nachts ging ein Bauer, der sich den Tag über lustig gemacht hatte, an der zerfallenen Burg vorbei. Da vernahm er von dem Gemäuer her ein seltsames Aufschlagen. Es war, als schlüge jemand mit Eisenhämmern daran. Verwundert blieb er stehen und schaute zur Burg hinauf. Da sah er durch die Bäume einen hellen, roten Schein. Wie er genauer hinsah, war ihm, als sehe er allerlei gespenstige Gestalten sich um die zerfallene Mauer herum bewegen. Dabei ging ein unablässiges Aufblitzen durch Baum und Strauch, als ob man bei der Burg Feuer aus den Mauern schlüge. Obwohl ihm bei der Geschichte nicht recht wohl war, übernahm ihn doch die Neugier. Er wollte sehen, mit wem er's da droben zu tun habe. So machte er sich behutsam näher ans Schloß heran, und auf einmal stand er in einem hellen Schein, denn die Schloßmauer war ringsum taghell erleuchtet. Schnell drückte er sich in den Schatten eines gewaltigen Baumes. Und da sah er von der Schloßmauer aus auf dem glatten Rasen ein glänzendes Kegelspiel stehen, neun Kegel aus lauter lötigem Gold. Und nicht weit weg davon standen drei Ritter in klirrenden Eisengewändern. Aber ihre Waffen lagen an der Mauer. Ein jeder hielt eine goldene Kegelkugel in der Hand und schob sie mit Macht nach dem goldenen Kegelspiel, also daß die einfallenden Kegel aufschlugen und weithin klangen. Der Bauer schaute dem mitternächtigen, wunderlichen Spiel eine Weile zu, und da er sich auch aufs Kegelschieben verstand und sonntags immer einer der ersten auf dem Platze war im Dorfwirtshause, wenn es galt, ein Schaf auszukegeln, so ärgerte er sich, daß die drei Ritter nie alle neune zu werfen vermochten, wie sehr sie sich auch anstrengten. Wie sich nun die Ritter, ermüdet, ein wenig abseits niederlegten und zu schlafen schienen, ertrug der Bauer das untätige Dastehen nicht länger. Er wollte einmal versuchen, ob er's nicht besser könne als die drei starken, geharnischten Ritter. Dabei hatte er aber im Sinne, sich gleich nach dem ersten Wurfe mit einer der goldenen Kugeln, die bei den Rittern lagen, davonzumachen. Sachte schlich er zum Kegelplatz. Und als er sah, daß die Ritter mit geschlossenen Augen dalagen und fest zu schlafen schienen, ergriff er eine der glänzenden Kugeln, wog sie ein paarmal nach Keglerart auf der Hand, stellte sich dann vor das Laufbrett, maß mit den Augen und zielte. Dann holte er mit Macht aus und schob die Kugel ab, wobei er ein Bein hochzog und mit beiden Armen in der Luft herumfuhr, als wäre sein Bein das Steuer und seine Arme die Ruder der abgeschnellten Kugel. Heidi, wie sauste die goldene Kugel davon! Es wetterleuchtete nur so die Schloßmauer entlang, und pauz pardauz! schoß sie in die Kegel hinein, daß alle klingend übereinanderpurzelten. "Alle neune!" lärmte der Bauer vor Freude. Und vom Schlosse aus antwortete ein geisterhaftes Echo! "Alle neune!" Da schrien die Ritter auf, es gab einen gewaltigen Lärm rings um das Schloß, ein Donnerschlag geschah, und mit einem Male versanken Ritter, Kugeln und Kegel in der Erde. Der helle Schein verschwand, und jetzt stand der Bauer zitternd, mit schlotternden Knien, allein im finsteren Schloßwald. Wie er sich aber von seinem gewaltigen Schrecken erholt hatte, machte er, daß er schleunigst weiter kam, und sein Lebtag bereute er, daß er den Mund nicht hatte halten können, denn gewiß hätte er die Ritter erlösen und das schöne goldene Kegelspiel gewinnen können.
10.
11.
Ritterlied 03:38
12.
13.
Tanzlied 02:10
14.
Sagenlied 01:59

about

Märlin erzählt klassische Märchen aus der Schweiz, Österreich und Deutschland

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released April 1, 2017

Alissia Milena, Harve
Chris Habegger, singende Säge, Fiddle

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Märlin Geschichtenerzähler Thun, Switzerland

Märlin Geschichtenerzähler alias Silvio Beltrametti, geboren am 5. Februar 1971 erzählt Märchen, Sagen und fantastische Geschichten und singt und musiziert mit verschiedenen Instrumenten.

Silvio Beltrametti hat vier Töchter die ihn zum Märchenerzähler inspirierten. Er lebt in Thun im Berner Oberland in der Schweiz
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